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2. Forschungskolloquium zur Pädagogik und Anthroposophie im Jugendalter

Eingeladen waren Kolleg*innen aus anderen Ausbildungseinrichtungen, aus den Schulen, zusammen mit Studierenden der Abschlusssemester.

Mit dem Forschungskolloquium zur Jugendpädagogik und Jugendanthroposophie hat die Freie Hochschule Stuttgart einen Baustein eingerichtet, der sich interdisziplinär und fächerübergreifend auf die Oberstufe bezieht. Ein besonderes Signum ist dabei die Zusammenarbeit sowohl mit der Pädagogischen als auch mit der Jugendsektion der Hochschule für Geisteswissenschaft am Goetheanum. 

Zwei Tage lang erwartete die rund 30 Teilnehmenden wieder ein intensives Programm unter vier großen Überschriften: Seelische Gesundheit und latente Sinnfragen im Jugendalter; Zeitgenossenschaft und Initiation: Fragen einer gegenwärtigen Jugendanthroposophie; Digitale Lebenswelten und (Trans-)humanismus sowie best practice für Gegenwart und Zukunft - Waldorfpädagogik in der Oberstufe.
"Was kann ich tun, damit Zukunft stattfindet?" Mit diesem Eröffnungsvortrag gab Philipp Kleinfercher, Dozent der Freien Hochschule Stuttgart und Impulsgeber des Forschungskolloquiums, einen Einführungsvortrag, der die ganze Aktualität des Themas in grundlegend philosophischer Fragestellung vor Augen führte. Wie kann in einer Welt der globalen Herausforderungen eine gelingende Ich-Du Beziehung stattfinden? Was bedeutet es, sich wirklich in der Welt zu beheimaten?
Die Brisanz dieser Fragestellung wurde im Beitrag des neuen Leiters der Jugendsektion am Goetheanum, dem Amerikaner Nathaniel Williams, augenfällig: er schilderte die Lebensrealität junger Menschen, vor allem bezogen auf die Situation in Amerika. Acht Stunden Leben in digitalen Welten sind für viele dort Durchschnitt und somit Alltag. Williams berichtete auch von dem zunehmenden Drogenkonsum in den USA, den er in deutlichem Zusammenhang mit diesem Thema sah. "Es geht bei dieser Beschreibung nicht um eine Wertung, sondern um eine Charakterisierung", betonte Williams. "Es geht um die Frage nach der menschlichen Konstitution". Denn wie entwickelt sich auf diese Weise der Bezug zur realen Welt mit ihren räumlichen und zeitlichen Bezügen? Im anschließenden Austausch in kleinen Arbeitsgruppen wurde deutlich, dass Schule immer mehr Aufgaben übernehmen muss, um junge Menschen im wahrsten Sinne des Wortes an das reale Leben heranzuführen. Was macht den Menschen wirklich zum Menschen? Handlungspädagogik, Erlebnispädagogik, Gesundheitsprävention – viele Waldorfschulen haben bereits beispielgebende Projekte entwickelt und in ihren Unterricht integriert. 
"Latente Fragen und das Geheimnis des Selbst – Eine Suchbewegung zwischen Ich und Welt" war der Titel des Beitrags von Dr. Frank Steinwachs vom Waldorflehrerseminar in Hamburg. Bei diesen latenten Fragen im Jugendalter geht es um die Entwicklung der Sozial- und Selbstkompetenz, auf die die Waldorfpädagogik ein besonderes Augenmerk legt - Fragen, die den Jugendlichen nicht bewusst werden, die aber ihr tiefstes Inneres betreffen und deren Antworten helfen, Entwicklungsaufgaben zu bewältigen. Nathaniel Williams schloss hier direkt an: Die Technologie löse einen berechtigten Durst aus, mit etwas Geistigem in Verbindung treten zu wollen. Drogenkonsum sei letztlich ein hilfloser Versuch, diesen Durst zu löschen. Mit Bezug auf Rudolf Steiner sprach Steinwachs davon, eine Sprache zu finden für eine "geheime Welt". Im gemeinsamen Gespräch entstand eine Suchbewegung, eine Geistigkeit zu entwickeln und sich über sie zu verständigen, die Materialismus und Wissenschaftlichkeit mitnimmt. Vor allem die Anthroposophie scheint geeignet, einen modernen, erweiterten Wissenschaftsbegriff entwickeln zu können.

"Ich hatte keine latenten Fragen mehr. Sie waren durch den Computer wie weggespült worden. Diese Entwicklung mit Mitte 20 nachzuholen, ist eine Herausforderung", unterstrich Sebastian Hub, ein junger Lehrer, in der anschließenden Aussprache. Als Jugendlicher war er computerspielsüchtig. Im vergangenen Jahr machte er seinen Master als Oberstufenlehrer mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik an der Freien Hochschule Stuttgart und forscht heute zum Thema Digitalität.
Medienpädagogik war auch das Schwerpunktthema des zweiten Kolloquiumstages. Die junge Medienpädagogin Justyna Wojciechowska, die ebenfalls ihren Abschluss an der Stuttgarter Hochschule für Waldorfpädagogik machte und heute an einer süddeutschen Waldorfschule unterrichtet, referierte über "Pornografiekonsum im Jugendalter – Hintergründe und pädagogische Ausblicke". Dabei arbeitete sie viele konkrete Handreichungen aus, welche Möglichkeiten Schule hat, präventiv und schützend zu wirken. 
Medienkompetenz stand auch im Mittelpunkt des Vortrages von Katinka Penert, Dozentin am Stuttgarter von Tessin-Lehrstuhl für Medienpädagogik und Waldorfschullehrerin in der Schweiz. Sie entwickelte mit den Studierenden einen Medienführerschein für die Mittelstufe der Waldorfschule und gab Ausblicke in die Oberstufe.

Natürlich durfte auch künstlerisches Tun nicht fehlen bei einer Tagung von Waldorfpädagog*innen. Die beiden Kunst- und Musikdozenten Christoph Schomann und Alexander Kölble vom Gastgeber der Freien Hochschule vertieften die thematischen Erfahrungen der Teilnehmenden durch spielerisch-künstlerische Gemeinsamkeit. Für den verbindenden Austausch untereinander sorgte Prof. Dr. Walter Hutter mit seiner Moderation der Gesprächsrunden.