Stellungnahme der Freien Hochschule Stuttgart und des Waldorflehrerseminars Hamburg
"Für die Print- und Onlineausgabe des Spiegels arbeitet sich Lukas Hildebrand an der Ausbildung von Waldorflehrkräften ab – und tut sich dabei schwer mit Fakten und quellenkritischem Journalismus", schreibt der Bund der Waldorfschulen treffend.
"Welche Enthüllungsstory darf’s denn sein? Die Redaktion fordert: Es muss Klicks bringen. Es sind Sommerferien, bald startet die Schule – und da gibt es noch den Lehrkräftemangel. Da haben wir’s doch schon: Ein Bildungsthema, das Klicks bringt: WALDORFSCHULE. Geht immer!"
Als Hochschule ist es uns wichtig, hier in Kürze den schon in einer ersten Überschrift augenfälligsten Punkt dieser Verdachtsberichterstattung herauszugreifen und darauf einzugehen:
Eine Studienreise nach Dornach an das Goetheanum (und zu anderen Zielen) bieten sowohl wir als auch das Waldorflehrerseminar in Hamburg unseren Studierenden auf freiwilliger Basis an. Sie als eine Pilgerfahrt darzustellen, ist eine untragbare Diffamierung.
Richtig ist das Gegenteil: Statt einen Personenkult um Rudolf Steiner zu etablieren, befähigen wir die Studierenden zur kritischen und zeitgemäßen Auseinandersetzung mit dem Werk Rudolf Steiners und zum Diskurs über die Grundlagen der Waldorfpädagogik. Das ist uns in den Gutachten bei allen drei bisherigen Akkreditierungen unserer Studiengänge wiederholt bescheinigt worden.
Die angeblichen Vorkommnisse, auf die Lukas Hildebrandt seinen gesamten Artikel aufbaut, konnten von uns trotz intensiver Recherchen nicht verifiziert werden. Sie sollen auch mehrere Jahre zurückliegen, so dass sie offenkundig auch keinen Bezug zu aktuellen Inhalten und die Praxis an der Freien Hochschule und des Hamburger Seminars aufweisen.
Kritik und Rückmeldungen unserer Studierenden zu ihrem Studium sind uns wichtig, und wir nehmen sie sehr ernst. Dieser Austausch gehört für uns zum Selbstverständnis einer Hochschule. Wir haben dafür Einrichtungen wie beispielsweise den (gewählten) Studierendenrat, sowie Kolloquien in allen Kursen und Klausurtage. (In jede Akkreditierung der Studiengänge werden auch die Studierenden intensiv einbezogen.)
Die regelmäßige Akkreditierung unserer Studiengänge, die gerade zum dritten Mal erfolgt, sehen wir als ein Instrument der Qualitätssicherung. Es handelt sich dabei um komplexe, regelgeleitete Verfahren unter Einbeziehung unabhängiger Fachgutachter*innen. Der kritisch-wissenschaftliche Ansatz in der Lehre wurde der Freien Hochschule Stuttgart dabei wiederholt in den Akkreditierungen bescheinigt. Dazu gehört natürlich, dass die Studierenden lernen, die historischen Quellen und theoretischen Grundlagen der Waldorfpädagogik im Kontext der Erziehungswissenschaft kritisch zu verorten.
Offenheit, Tiefe, Ernsthaftigkeit in der Auseinandersetzung – Anachronismen heutzutage? Waldorfpädagogik ist ein Impuls, der seit über 100 Jahren ganz offenkundig Früchte trägt. "Wo ist denn das Buch, worin der Pädagoge lesen kann, was Pädagogik ist? Das sind die Kinder selber!" Diese Worte von Rudolf Steiner beschreiben, worum es in der Waldorfpädagogik geht. Damit wird deutlich, was das Anliegen unserer Studiengänge und Ausbildungen zur Waldorflehrkraft ausmacht: pädagogische Handlungsfähigkeit auf der Basis einer umfassenden Anthropologie.
Welchen persönlichen und gesellschaftlichen Nutzen zieht der Mensch aus Bildung? Nach der Auffassung des Philosophen Julian Nida-Rümelin "entfaltet Bildung menschliche Fähigkeiten, denn Bildung ermöglicht unterschiedliche Lebensgestaltungen, Autorschaft über das eigene Leben (…)" (Zierer & Rümelin 2015, S. 95). Fähigkeiten also, die den Menschen zu einer persönlichen Freiheit führen. In dem Band "Lehrerbildung für Waldorfschulen", herausgegeben von einem Autorenteam der Freien Hochschule Stuttgart, schreibt Holger Kern: "Ausgangspunkt und Ziel der Waldorfpädagogik ist die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Menschen, der individuellen Persönlichkeit" (Kern, 2018, S.11).
"Waldorfunterricht bedeutet für mich, die Welt in den Klassenraum zu bringen. Ich möchte meinen Schülerinnen und Schülern die Schönheit dieser Welt vermitteln" – so beschreibt es zum Beispiel Max, heute Klassenlehrer an einer Waldorfschule, der sein Bachelor- und Masterstudium bei uns an der Freien Hochschule Stuttgart absolviert hat. (s. hierzu https://www.instagram.com/jedestundezaehlt/)
Und so könnten wir viele Geschichten erzählen, was bei uns an der Hochschule passiert, tun es auch immer wieder, und ja, selbstverständlich auch, warum unsere Studiengänge dem staatlichen Lehramtsstudium fachlich in nichts nachstehen.
Sie sind neugierig geworden? Dann melden Sie sich bitte bei uns oder kommen uns besuchen!
Zum Beispiel an unserem Tag der offenen Tür am 12. Oktober, mit dem wir uns nun schon zum dritten Mal am dritten Wissenschaftsfestival der Stadt Stuttgart beteiligen.
Wir freuen uns auf Sie!
Für Fragen stehen wir selbstverständlich gerne zur Verfügung:
auf unserer Infohotline unter 0711 21094 – 32
per E-Mail: pluetzerfreie-hochschule-stuttgart.de
Dieser Leserbrief von Prof. Dr. Volker Ladenthin von der Universität Bonn erreichte uns: eine aufschlussreiche Analyse des gesamten Artikels. Leider wurde er bisher nicht vom SPIEGEL veröffentlicht.
HIER: Leserbrief an den SPIEGEL
Zentrale Gesichtspunkte zur Lehre an der FHS findet man u. a. in den folgenden Büchern:
- Damberger, Thomas & Edwin Hübner (Hrsg.): Kinder stärken in Zeiten der Digitalisierung: In Krisen reflexive Energie entwickeln. Budrich: 2024
- Heusser, Peter: Anthroposophy and Science. An Introduction. Peter Lang: 2016.
- Hübner, Edwin & Leonhard Weiss (Hrsg.) Personalität in Schule und Lehrerbildung: Perspektiven in Zeiten der Ökonomisierung und Digitalisierung. Budrich: 2017.
- Kern, Holger, Wenzel M. Götte, Tomáš Zdražil (Hrsg.): Erziehungskünstler werden. Lehrerbildung für Waldorfschulen. Beltz: 2018.
- Schieren, Jost (Hrsg.): Waldorfpädagogik und Erziehungswissenschaft. Ein Handbuch. Beltz: 2016.
- Wiehl, Angelika (Hrsg.): Studienbuch Waldorf-Schulpädagogik. Utb-Klinkhardt: 2019.
- Wiehl, Angelika & Frank Steinwachs (Hrsg.): Studienbuch Waldorf-Jugendpädagogik. Utb-Klinkhardt: 2022.