Theater vom Feinsten: "Momo - kein Kinderspiel"

Zum zweiten Mal hat sich ein Abschlusskurs ein Musiktheaterprojekt vorgenommen und gemeinsam mit den Auszubildenden des Kontaktstudienganges Sprachgestaltung in kürzester Zeit auf die Bühne gebracht. "Momo - kein Kinderspiel", ein Musiktheater nach Michael Ende: in nur gut drei Wochen setzten sie die Geschichte, die wohl jeder und jede kennt, unter der Regie von Ulrike Hans, die auch das Textbuch schrieb und für die beeindruckende Inszenierung verantwortlich war, um.
"Es handelt sich um die totale Entfremdung des Menschen von seiner Lebenswirklichkeit", schrieb Michael Ende vor rund 50 Jahren über seine Geschichte. Das kleine Mädchen Momo rettet die Menschen vor den Zeitdieben. Die aktuellen Bezüge, die die Inszenierung herstellte, lagen auf der Hand: Kinder werden heutzutage mit digitalen Medien ruhig gestellt und verlieren dabei zunehmend den Bezug zur Realität. Die sieben Zwerge im Handy sind Alltagsbegleiter. Der Preis des Handys der Beweis für Elternliebe.
Mit unglaublichem Engagement und Spielfreude begeisterten die Studierenden ihr Publikum im Großen Saal des Rudolf Steiner Hauses Stuttgart drei richtig gut besuchte Vorstellungen lang. Musikdozentin Ana Jincharadze begleitete am Klavier und war für die Einstudierung des Gesangs zuständig. So sorgte die Musik für stimmungsvolle Untermalung und Umrahmung. Und wie immer unterstrich die Inszenierung von Ulrike Hans mit wenigen Mitteln effektiv und wirkungsvoll das Gesamtambiente.
Klar: Momo ist ein Roman, ein dickes Buch. Gute zwei Stunden Aufführung wurden daraus. Hier wäre vielleicht doch an mancher Stelle weniger mehr gewesen.
Die Studierenden schlüpften alle in mehrere Rollen, Julia Kreuzer und Martina Rätz teilten sich die Hauptrolle in den verschiedenen Vorstellungen. Unglaubliche Textmengen, die es da in kürzester Zeit zu lernen gab und mit einer Leichtigkeit und Professionalität vorgetragen wurden, als ob sie ihnen auf den Leib geschneidert seien.
Diese angehenden Klassenlehrer*innen stehen jetzt mit allen Wassern gewaschen vor den Herausforderungen ihrer künftigen Klassenspiele, die sie mit ihren Schülerinnen und Schülern in den Waldorfschulen einstudieren werden. Vom Kostüm bis zum Bau des Bühnenbildes haben sie sich hier um alles gekümmert.
"Aber ich habe mir nie eingebildet, die Fragen der Industriegesellschaft mit einer einzigen Geschichte lösen zu wollen", sagte Michael Ende. Und doch kann solch eine Geschichte viel bewegen.
Nachdenklich ging man nach Hause. Die grauen Herren - sie sitzen uns im Nacken.
