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Medienführerschein für die Mittelstufe

Medienführerschein-Konzepte gibt es viele, FHS-Dozentin Katinka Penert und Master-Studentin Justyna Wojciechowska haben eins entwickelt, das sich an den Grundlagen der Waldorf-Medienpädagogik orientiert.

Die von Digitalität durchdrungene Welt verstehen und gestalten

Die digitalen Technologien haben unseren Alltag verändert. Deshalb verändern Waldorfschulen auch wo nötig und sinnvoll Methodik und Inhalte des Unterrichts. Jugendliche müssen die wichtigsten Technologien, die sie im Alltag verwenden, wenigstens prinzipiell verstehen – das war ein Ziel, das Rudolf Steiner den Lehrer:innen der ersten Waldorfschulen immer wieder ans Herz legte. Heute geht es darum, die Funktionsweise digitaler Technologien zu verstehen, Informationen im Internet bewerten zu können, aber auch zu begreifen, wie ein guter Film oder ein Podcast hergestellt wird, und schließlich darum, die digitalisierte Welt kreativ zu gestalten.

Orientiert an der Entwicklung

Medienmündigkeit ist abhängig von Reife, Lebens- und Welterfahrung. Deshalb geht Medienerziehung auf die Entwicklungsbedürfnisse der Kinder und Jugendlichen ein. Grundlage der Medienmündigkeit ist die gesunde körperliche und seelische Entwicklung.  Da alle Medien sich zwischen den Menschen und die Welt stellen und ihn daher von den unmittelbaren Erfahrungen abkoppeln, ist der Lebensraum der frühen Kindheit idealerweise medienfrei. Mit Beginn der Schulzeit gewinnt der Umgang mit Medien zunehmend an Bedeutung. Dabei ist wichtig, dass die Kinder zuerst die analogen Medientechnologien gut beherrschen lernen: Schreiben, Lesen, Rechnen, ein Instrument spielen, Malen, Zeichnen. Die kompetente Beherrschung möglichst vieler analogen Technologien ist die Basis, auf der mit Beginn der Pubertät ein kreativer Umgang mit digitalen Technologien aufbauen kann.

Klasse 5, 6 und 7: Eine Umbruchphase

Unter "Medienführerschein" versteht man verschiedene Medienprojekte, die diesem Grundsatz"real – analog – digital" folgen und die, mit der beginnenden Pubertät, in den Klassen 5, 6 und 7 durchgeführt werden können. Der Begriff "Medienführerschein" sorgt gelegentlich für Iritationen, wenn er  verstanden wird als "mit diesem Schein darf ich dann alles". Intendiert ist er umgekehrt - der Umgang mit digitaler Technologie muss gelernt werden, ohne fundierte Ausbildung passieren "Unfälle". Viele Schulen nennen die Unterrichtselemente dennoch anders.

Das waldorfpädagogisch fundierte Medienführerschein-Konzept setzt bewußt in den Klassen 5 - 7 an, in der Umbruchpahse vom Kind zum Jugendlichen. In diesen Jahren gewinnen die digitalen Medien zunehmend an Bedeutung für die Heranwachsenden, viele Jugendliche beheimaten sich in den Welten der sozialen Netzwerke und Games. Daneben gibt es aber in vielen Klassen auch Schüler*innen, die noch wenig Berührung mit digitalen Medien haben. Dieser Herausforderung trägt  das Konzept Rechnung, indem es auf zwei Ebenen arbeitet: Es schafft, ohne Geräte  zu benutzen, Verständnis für die sozialen und technischen Mechanismen der Welt -  das ist je nach Klasse skalierbar eher hin zum Analogen oder zum Digitalen.

Die Pubertät ist die Zeit der latenten Fragen: Wer bin ich? Wie finde ich Beziehung zu meiner Umwelt? Was ist das Ziel meines Lebens? Die Antworten auf diese Fragen suchen Heranwachsende in der realen und der digitalen Welt, sie sind Bestandteil des Medienführerschein-Konzepts. Die sozialen Grundlagen von Medienmündigkeit - Empathiefähigkeit, Reflexion der Funktion von Vorbildern, eine kritische Haltung ... - lassen sich gut im analogen entwickeln und in kreativen Medienprojekten üben.

Theorie und Praxis - anschaulich und selbst gesteuert

Für die Jahrgangsstufen 5, 6 und 7 empfehlen die Autorinnen jeweils einen Block "Medien verstehen" (3 Doppelstunden) und einen Block "Medien gestalten" (Länge variabel). 

Im ersten Block (drei Doppelstunden) in jeder Klassenstufe geht es um ein Verständnis davon, wie etwas funktioniert: Wie ist ein Netzwerk, das Menschen analog verbindet, aufgebaut und welche Regeln der Kommunikation und des gegenseitigen Respektes gelten? Wie reisen die Daten durchs Internet? Was heißt eigentlich Ende-zu-Ende-Verschlüsselung? Wie funktioniert Influencer-Werbung und welche Mittel benutzt die Werbeindustrie, um ein Bild zu manipulieren? Um das zu verstehen, braucht man keine digitalen Geräte. Die Projekte sind so niederschwellig, dass jede Lehrperson, die Interesse an diesen Themen hat, sich von den Materialien inspirieren lassen kann. Im zweiten Block gibt es eine reiche Auswahl an Audio- und Videoprojekten für Klasse 6 und 7. In der 5. Klasse bleibt die Arbeit im Block 2 ebenfalls analog. Alle Themen sind anschlussfähig an den Waldorflehrplan und können in den Unterricht integriert werden. Wenn die Lehrperson mit ihrer Klasse über Themen der digitalen Welt spricht, kann eine Brücke zwischen der Lebenswirklichkeit der Schüler:innen und der der Lehrperson entstehen: Vertrauen und digitale Fürsorge sind gleichzeitig ein Schutzfaktor in unserer zunehmend digitalen Welt.

Im Podcast stellen sie ihr Konzept vor und berichten von ihren Erfahrungen, im padlet stellen sie ihre Materialien allen Interessierten zur Verfügung.